© 1997 Helga Maria Bischoff
aus: Needleworks II, Katalog Patricia Waller, Heilbronn 1997
TVs, Videos, PCs, Computergames, Virtual Reality und Cyberspace mischen sich mehr und mehr in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Das Bild vom Bild einer inszenierten, fiktiven oder virtuellen Realität lanciert zum Kommunikationsfaktor Nr. 1.
Patricia Waller greift an dieser Thematik die spielerischen Elemente der Anwendungsmöglichkeiten auf und verknüpft deren Wirkungsweisen mit künstlerischen Positionen.
Ausgangsmotive der "Computergames" sind fertig vorgedruckte Gobelinstickmuster mit klassischen Sujets der Kunstgeschichte: Stilleben, Blumen, Tiermotive und Landschaften mit Dorfidylle oder religiöser Andacht. Die Reproduktionsfähigkeit von Bildmotiven, das von Andy Warhol als Kunststrategie kommentierte "Malen nach Zahlen", wird von der Künstlerin mit der programmierten Kreativität von Computerspielen parallelisiert. Mit Kommandos wie "Choose Favorite Fruit" kann sich jeder mit PC, Programm und Maus sein eigenes Stilleben basteln. Die eigene Phantasie, die diese Freizeitbeschäftigung erfordert, entspricht dem Niveau der Gobelinstickerei nach Hausfrauenart.
Seit der Renaissance zieht sich der Versuch fort, über die Perspektive eine räumliche Vorstellung in das zweidimensionale Bild zu integrieren und den Betrachter in eine künstliche Welt einzubeziehen. Dieser Gedanke kulminierte im Barock: Decken lösten sich in Wolkenhimmel auf, und Wände ließen sich scheinbar in unendlichen Säulengängen durchschreiten. Auf dem Stand der heutigen Technik übertrifft der Cyberspace jede dieser Vorstellungen. Mit Hilfe eines Helms, Handschuhs und Joysticks läßt sich der Mensch in eine fiktive, künstliche Umgebung entführen, wandelt durch antike Tempel oder über ferne Planeten. In den Arbeiten zu imaginären Bildwelten, "Virtual Realities", erfährt die Technik der Gobelinstickerei eine Entsprechung zum Pixel für Pixel aufgebauten Computerbild.
"Bildstörung" ist der Titel der gestrickten Monitorwand: eine Attrappe, mit flimmernden Bildern, die den Moment einer gestörten Wahrnehmung suggerieren. Masche für Masche ist in einem langsamen Prozeß entstanden, was normalerweise in Sekundenschnelle das Auge reizt und den Monolog einer bildhaften Television unterbricht.
Patricia Waller reagiert in ihrer künstlerischen Auseinandersetzung auf verschiedene Zeitphänomene mit verspielter Ironie, in der man die kleinen Fußnoten lesen muß, die sie überall setzt. Unter Anwendung von für die Kunst seltenen Produktionsmitteln wie Nadeln und Garne zitiert sie bewußt Elemente des kunstimmanenten Bereichs und erzielt damit ungewöhnliche Assoziationen und neue Sichtweisen.