© 1997 Dieter Brunner
aus: Needleworks I, Katalog Patricia Waller, Heilbronn 1997
Wie kaum ein anderes Material – selbst im Vergleich zu Keramik oder Glas – ist die Wolle , durch Handarbeit in Form gebracht, für die Kunst nie ein Thema gewesen und galt lange Zeit als ungeeignet. Zu häkeln ist aber nicht nur ein Angriff auf die Kunst, sondern als Vorgang geradezu paradox in einer Zeit der Massenfabrikation. Textile Arbeiten sind heute idyllische Reminiszenzen; in Handarbeit werden nur noch Freundschafts- und Verwandt- schaftsgeschenke oder Überflußartikel für wohltätige Weihnachtsbazare hergestellt.
Patricia Waller verwendet Material und Technik ganz bewußt, in aller Radikalität, gleichsam als "nette" Provokation. In ihren Kunstobjekten artikulieren sich Ablagerungen aus Kunst und Wirklichkeit, Gegenwart und Vergangenheit, Idylle und Wohlbehütetsein. Sie erzählen uns von der Spießigkeit und von den Tabus unserer Zeit und von vielem anderem mehr. In aller Freundlichkeit schildert Patricia Waller die Perversionen und Dämonen der Gegenwart. Die Ironie ist aber nicht Thema ihrer Kunst, sondern sie dient ihr bestenfalls als Einstieg. Ist den Dingen zunächst durch die liebevolle Handarbeit die Schärfe genommen, so kommt diese spätestens zurück, wenn man sie mit den Inhalten auseinandersetzt: die Spaßigkeit verwandelt sich alsbald in Beklemmung.
Immer näher an die Realität heranzugehen und mit ihr zu hantieren, hat eine lange Tradition in der Kunst; das Readymade steht gleichsam als eine von allem Artifiziellen bereinigte Essenz dieses künstlerischen Konzepts. Patricia Wallers Readymades sind immer verfremdet, wenngleich dies erst auf den zweiten Blick ersichtlich wird. Solche Verfremdungen erweisen sich als Methoden des Bildersturms, als Akte der Zerstörung und Entweihung. Waller führt somit das dadaistische Prinzip, eine Sache, noch ehe sie sich etabliert, wieder vom Thron zu stoßen fort, dabei macht sie auch keinen Halt vor ihren dadaistischen "Vätern".